Fallbeispiel 5: Durchbiegung der Treppenholme – statische Mängel im Metallbau

Durchbiegung der Treppenholme – Ursachen, Bewertung und Konsequenzen für die Standsicherheit

Auftrag und Ausgangssituation

Der Auftraggeber meldete deutliche Schwingungen und sichtbare Durchbiegungen an einer neu errichteten Stahlwangentreppe in einem Bürogebäude.
Bereits nach kurzer Nutzungszeit kam es zu fühlbaren Vibrationen beim Begehen der Treppe sowie zu Rissbildungen an den Fugen der angrenzenden Wandverkleidung.
Ich wurde beauftragt, die Ursache und die statische Sicherheit der Konstruktion zu beurteilen.

Der folgende Fallbeispiel zeigt die Problematik der Durchbiegung von Treppenholme auf.

Festgestelltes Schadensbild

• sichtbare Durchbiegung der äußeren Treppenwange um mehrere Millimeter
• Vibrationen beim Betreten der mittleren Stufen
• Risse in der Wandverkleidung im Anschlussbereich
• Kontaktgeräusche zwischen Trittstufen und Holm
• Verformung im Auflagerbereich (Holmanschluss an Podestplatte)

Die Treppe zeigte somit deutliche Abweichungen von der zulässigen Gebrauchstauglichkeit.

Ursachenanalyse

Nach der Einsicht in die statischen Berechnungen und der Nachmessung vor Ort ergaben sich mehrere Ursachen:

1. Fehlerhafte statische Dimensionierung
   – Die Querschnitte der Holme waren zu gering bemessen, um die Lasten aus Eigengewicht und Nutzlast (5 kN/m² nach DIN 1055-3) sicher aufzunehmen.
2. Unzureichende Versteifung
   – Fehlende Querverbindungen zwischen den Holmen führten zu Torsionsbewegungen.
3. Falsche Materialwahl
   – Verwendet wurde ein Baustahl S235 JR, statt des geplanten S355, wodurch die Tragreserven reduziert waren.
4. Fehlerhafte Lagerung
   – Der Anschluss an der Podestplatte war biegesteif geplant, tatsächlich aber gelenkig ausgeführt.

Normative Bewertung

Die DIN 18065 – Gebäudetreppen fordert, dass die Gebrauchstauglichkeit dauerhaft gewährleistet sein muss und keine störenden Schwingungen auftreten dürfen.
Für die Bemessung der Tragfähigkeit gilt der Eurocode 3 (DIN EN 1993-1-1) in Verbindung mit dem nationalen Anhang (NA). Nach diesen Regelwerken beträgt die zulässige Durchbiegung für Treppenholme: f ≤ L / 300 (bei sichtbaren Bauteilen mit Personenverkehr).

Die gemessene Durchbiegung von 21 mm bei einer Spannweite von 3,8 m überschritt diesen Grenzwert deutlich (zulässig ≈ 12,6 mm).
Damit liegt ein wesentlicher Mangel im Sinne der VOB/B § 13 (1) vor.

Folgen des Mangels

• Verminderte Gebrauchstauglichkeit (spürbare Bewegungen, Unsicherheitsgefühl beim Begehen)
• Verformungsrisse im Anschlussbereich der Wände und Bodenbeläge
• Langzeitfolgen durch Materialermüdung an den Schweißnähten
• Verlust des Vertrauens in die Tragfähigkeit aus Sicht des Nutzers

mögliche Haftungsansprüche gegenüber dem ausführenden Metallbauer und Statiker

Empfohlene Maßnahmen

1. Statische Nachrechnung der Treppenkonstruktion unter Berücksichtigung der tatsächlichen Geometrie und Materialgüte.
2. Verstärkung der Holme durch aufgeschweißte Gurtplatten oder Zwischenstützen.
3. Einbau von Querverbindungen zur Erhöhung der Torsionssteifigkeit.
4. Kontrolle der Schweißverbindungen nach DIN EN ISO 17638 (Magnetpulverprüfung) auf Rissbildung.
5. Nachweis der Gebrauchstauglichkeit durch Messung der Schwingungsamplituden nach DIN EN 1990/1993.
6. Dokumentation und Abnahmeprüfung vor Wiederinbetriebnahme.

Zusammenfassung

Durchbiegungen an Treppenholmen sind ein typischer Hinweis auf Planungs- oder Ausführungsfehler im Metallbau.
Sie beeinträchtigen sowohl die Sicherheit als auch die optische Qualität der Konstruktion.
Eine fehlerfreie Dimensionierung nach Eurocode 3, eine ausreichende Torsionssteifigkeit und die richtige Materialwahl sind entscheidend, um diese Schäden zu vermeiden.

Hinweis des Sachverständigen

Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Metallbauerhandwerk beurteile ich Tragwerksfehler, Dimensionierungs- und Schweißmängel unabhängig, objektiv und normenkonform.
Durch meine Ausbildung als Master of Engineering und Schweißfachingenieur kann ich statische und schweißtechnische Fehler ganzheitlich bewerten.

Weiterführende Informationen

• Leistungen im Metallbau & Handwerk (Fenster, Türen, Geländer, Konstruktionen)
• Industrie & Schweißtechnik – Überblick der Leistungen
• Kontakt für Gutachten, technische Prü­fung & Schadensanalyse

Themenübersicht der Fallbeispiele:

• Nicht fachgerechter Einbau von Fenstern – Ursachen, Folgen und Gutachterbewertung
• Korrosion am Edelstahlgeländer – Ursachen, Bewertung und Sanierungsempfehlung
• Ungenügende Schweißung – Schweißnahtmängel im Metallbau
• Abblättern der Zinkschicht – Ursachen, Bewertung und Sanierung von Beschichtungsfehlern
• Mindestabstände der Handläufe – Anforderungen nach Arbeitsstättenrichtlinie (ASR A1.8)
• Rissbildung an Schweißnähten – Nachweis durch Farbeindringprüfung (PT2)
• Poren und Bindefehler an Aluminiumbauteilen – Schweißfehler erkennen und bewerten
• Zinkrisse nach Feuerverzinkung – Ursachen, Analyse und Bewertung
• Glasüberdachung – Undichtigkeiten und Korrosionsschäden an Halterungen
• Nicht fachgerechte Ausführung und Montage von Kunststofffenstern – Ursachen, Folgen und Bewertung